Deutschland/Europa  Trilogie

Wenn der Kahn nach links kippt, setze ich mich nach rechts

Eine Stückentwicklung zum Rechtspopulismus von Peter Staatsmann

Deutschland im Herbst 2017: Das Verschwinden, womöglich sogar der Tod des Schauspielers und Regisseurs Wolfram führt nach vier Monaten Warten die Familie und sehr unterschiedliche Freunde von ihm zusammen. In der turbulenten Komödie entfaltet sich ein Panoptikum ewiger deutscher Sehnsüchte nach Einheit und Homogenität, sei es einer Gruppe oder einer Familie. Doch wo eine so große Sehnsucht nach Homogenität entsteht, wird es umso schneller disparat, widersprüchlich und chaotisch. Durch jahrelanges Augenverschließen und dem Wegschauen vor Problemen hat sich unter der Oberfläche ein bunter und recht explosiver Cocktail entwickelt von Heilslehren, die eigentlich Irrlehren sind, von Lösungsvorschlägen, die eigentlich Vernebelungen sind, von Entscheidungsfreude, die eigentlich ein Gegen-die-Wand-Rennen ist.

Der gemeinsame Koch- und Erinnerungsabend schraubt sich immer weiter in den Irrwitz:  Es findet sich eine mysteriöse DVD, ein Musiker und ein Chor tauchen auf. Die Ereignisse überschlagen sich und aus den Melodien der deutschen Lieder erwächst eine eigentümliche Atmosphäre, die immer schriller und grotesker wird.

Peter Staatsmann treibt unsere aktuelle gesellschaftspolitische Situation grandios auf die Spitze. Welche Überzeugungen sind echt? Wie verändern sich Menschen, woran glauben sie, wie viel Widersprüche versuchen sie zu kitten? Wer die Welt, in der er lebt, nicht mehr versteht und sich darin linkisch verstrickt, der gibt uns wie Stan und Laurel Anlass zum Gelächter, sei es auch eines, das uns selbst mit einschließt.

Text & Regie: Peter Staatsmann

Dramaturgie & Kostüme: Bettina Schültke
Mitarbeit: Dmitrij Gawrisch
Mit: Nupelda Ciftci, Frank Deesz, Isabelle Groß de García, Petra Weimer
Musik: Dorin Grama und der Bürgerchor des Zimmertheaters
Gefördert durch: Innovationsfonds Kunst, Baden-Würtemberg

Raub der Europa

Von Peter Staatsmann

Ein Theaterstück über die Folgen der Globalisierung, die  Passivität der Politik und der Notwendigkeit einer Initiative für eine europäische Republik

Europa ist das Thema der Stunde: Wir sind alle ein bisschen benebelt. Verwöhnt von den selbstverständlich gewordenen Errungenschaften einer rechtsstaatlichen Demokratie beginnen wir einfachen Erklärungen und Fake-News aufzusitzen. Doch es regt sich erster Protest: Von Frankreich bis Ungarn wollen die Bürger sich nicht länger zugunsten einer einseitigen und oft ungerechten Globalisierung abfinden mit einer sich immer wiederholenden Spaltung zwischen Gewinnern und Verlierern.

Das Zimmertheater bezieht sich in seiner Stückentwicklung von Peter Staatsmann auf den Mythos, wo der Gott Zeus in Gestalt eines Stiers die Königstochter Europa raubt, bindet dies aber in eine sehr heutige Geschichte ein. Die Jungen Ludwig und Anna treffen in einer dramatischen Nacht auf das Paar Marie und Richard, die als typische „Nach-Achtundsechziger“ zwischen der tiefen Unzufriedenheit mit einer offensichtlich ‚schlechten Welt‘ und dem guten Leben in einem europäischen Wohlstandsland hin und her schwanken.

Doch von was ist die Rede, wenn von Freiheit die Rede ist? Muss ich für meine Freiheit womöglich Verantwortung übernehmen und aktiv mitdenken und mitgestalten, wie es die junge Anna für natürlich hält in einer modernen Demokratie? Oder ist die Lage zu weit ins Wahnhafte fortgeschritten, so dass wir, wie Marie nur noch Zyniker werden können? Die Gräben ziehen sich plötzlich nicht mehr nur entlang der Grenze zwischen den Generationen, sondern auch zwischen den Geschlechtern, den sozialen Zugehörigkeiten und Identitäten. Sogar die emotionalen Bindungen werden in dieser Nacht der Verführungen, in der Europa – und damit die Ideale der französischen Revolution Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – auf dem Spiel stehen, auf eine schwere Probe gestellt. Wir erleben leidenschaftliche Kämpfe mit komödiantischen Momenten, gespielt von vier tollen Schauspielern. Nach Teil 1 Wenn der Kahn nach links kippt, setzte ich mich nach rechts geht es jetzt um ein großes uns alle umtreibendes Thema.

Text & Regie: Peter Staatsmann
Dramaturgie & Kostüme: Bettina Schültke
Mit: David Gundlach, Peter Raffalt, Petra Weimer und Margarita Wiesner
Gefördert durch: Innovationsfonds Kunst, Baden Würtemberg

Die bessere Hälfte… der Familie

Die Unmöglichkeit eine (moderne) Frau zu sein (UA)

Von Peter Staatsmann und Ensemble

Ein Frauenstück von Peter Staatsmann & Ensemble zum Verhältnis zwischen den Generationen, dem Umgang mit Demenz, Digitalisierung und der Weitergabe von Traumata

Fünf Frauen, fünf Biographien, mehrere Generationen. Im Dickicht der Widersprüche einer modernen Welt, die Leistung und Wachstum über alles stellt, verirren sich fünf Frauen, die um ihr Überleben kämpfen. Was sich zuerst als Freiheit und als Zuwachs an Machtbeteiligung öffnet, erweist sich immer öfter als ein neues – altes – Gefängnis von Leistung und Zwang. Marie hat zwei Töchter großgezogen, immer den Mund aufgemacht, sich nichts gefallen lassen, jetzt driftet sie in die Demenz ab.

Was ist mit ihren Töchtern, die um ihr eigenes finanzielles Überleben kämpfen, sei es in einem aufstrebendem Startup oder in prekären Verhältnissen? Sie hoffen mit dem Engagement, einer albanischen Pflegekraft die Misere zu meistern. Allerdings lehnt Marie diese ab. Es folgt Plan 2: Könnten die neuen digitalen Hilfsmittel nicht auch in diesem Fall helfen? Kann die Mutter ans Netz angeschlossen werden? Zudem drängt sich eine neugierige Nachbarin in die Kleinfamilie. Sich-um-Andere-Kümmern kann auch befriedigend sein, erkennt sie. 

Fünf Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs – im Zeitalter einer Modernisierung, die Zeit und Raum digital aufgehoben haben, gleichzeitig uns aber auch aller Empathie beraubt. Frauen werden vor die Entscheidung gestellt: Mitspielen bei diesem Spiel um Geld und Erfolg oder Unsichtbarkeit und soziale Bedeutungslosigkeit. Aber wie viel ist eine Moderne wert, die mich zwingt, mein Geschlecht zu verleugnen, mich hindert, meine Wünsche zu lesen?

Das Stück, die Inszenierung spürt diesen Strukturen nach, legt Paradoxien und Widersprüche frei. Oft tun sich unerwartete Zwänge genau dort auf, wo wir Befreiungen sehen oder erhofft haben. Unsere Befreiungsbewegungen im Sozialen zurren die Abhängigkeiten in tieferen Schichten, in unserer Psyche, fester. 

Peter Staatsmann stößt im 3. Teil seiner Deutschland-Trilogie nach „Wenn der Kahn nach links kippt, setze ich mich nach rechts“ und „Raub der Europa“ tiefer in die Mikrostruktur unserer Gesellschaft vor und bringt das Unbewusste zum „Sprechen“. Immer wieder haben Traumata die deutsche Gesellschaft geprägt, Traumata, die oft nicht aufgearbeitet werden konnten und so weitervererbt wurden. Die Menschen ergreifen dann allzu gern die Angebote, die von neuen Systemzwängen ausgehen und die Konvention setzt sich durch. Welche Chancen haben wir, unseren Traumata zu entkommen bzw. sie zu bearbeiten? Die Balancierung veränderter Geschlechterrollen wird uns noch lange und intensiv beschäftigen, hängt doch nicht zuletzt die gesamte Reformfähigkeit unserer Gesellschaft daran.

Regie: Peter Staatsmann

Dramaturgie & Kostüme: Bettina Schültke
Mit: Nora Kühnlein, Valentina Sadiku, Maika Troscheit, Petra Weimer, Britta Werksnis
Musik: Dorin Grama
Gefördert durch: Inovationsfonds Kunst, Baden-Würtemberg